[COLOGNE] HOTEL 361°: Bernhard Martin

21 Juni - 27 August 2014

[GERMAN]

 

Die Galerie Choi&Lager Köln zeigt eine Einzelausstellung des deutschen Künstlers Bernhard Martin. Hotel 361° (Graceland, Disgracecounty) ist der Titel einer neuen Serie von Malerei und Zeichnungen aus Martins seit drei Jahren fortlaufendem Zyklus Diktatur der Hormone. Ursprünglich als Paraphrasen zur Ikonographie des Last Suppers geplant, sind im Laufe des Arbeitsprozesses daraus Tischszenen, Hotel- und Barszenen geworden, die aus den Fugen geraten sind und dabei Filmszenen gleichen. Hotel 361° beruft sich auf die Stimmung in Lunar Park und Glamorama von Brett Easton Ellis ohne Interesse am Zitat.

 

Die Bilder zeigen Hotelszenen einer modernen, reisenden und konsumorientierten Gesellschaft (MindhungryTraveller). Es wird dargestellt, was im Hotel passiert. Es wird eine Gesellschaft portraitiert, die, so Martin, »an den eigenen aufgestellten Regeln erkrankt und keine zufriedenstellenden Antworten auf die Fragen von Macht, Liebe, Eifersucht und Sehnsucht findet und als Ausweg den Zynismus, Doppelmoral und die Hemmungslosigkeit wählt«. Bernhard Martin wertet nicht und denkt nicht in Hierarchien. Ihn interessiert dieses Phänomen, das Absurde darin, das Irrwitzige, Verrückte, Abnorme, das Entrückte, Ungereimte, das Widersinnige und Sinnlose. Dieser Ausdruck des Absurdismusgipfelt in einem der Bilder, welches eine Hotelbarszene darstellt (WartenaufdasAndere). Darüber hinaus stellt Bernhard Martin in diesem Werken die Frage, »ob im Absurden nicht der letzte freie Gedanke steckt.« Die Inspirationsquellen für Martins Bilder reichen von Otto Dix’ berühmtem Triptychon Großstadt(1927/28) bis zum Schrillen und Gnadenlosen in Quentin Tarantinos Filmen.

 

In den vergangenen Jahren war Bernhard Martin bekannt für seine radikale Art des Samplings und für die Kombinatorik unterschiedlichster Malstile, die er meist zu überbordenden Bilderzählungen kombinierte. Nun trägt er in einer neuartigen Weise Pastelltöne in einem lichten Farbauftrag virtuos auf die Rohleinwand auf, die Bilder in eine wundersame Atmosphäre tauchen. Auf den ersten Blick erscheinen Martins Arbeiten wunderschön und erst bei näherem Betrachten wird der subversive Nährboden seiner verschlüsselten Bildwelten sichtbar. Der Farbauftrag ist hauchzart, so dass die Bilder seltsam entrückt wirken. Diese neue Maltechnik im Werk von Bernhard Martin zeigt sein tiefstes Bedürfnis nach Wandel; der Wandel und die Veränderung sind ein zentrales Thema in den Arbeiten dieses Künstlers; das bedeutet aber auch immer wieder stilistischen Wandel. »Es interessiert mich nicht, mein Leben lang das Gleiche zu machen, wenn sich um mich herum permanent alles ändert. Zeitgemäßer ist es doch, wenn man eine Sprache entwickelt, die dem standhalten kann und versucht, alles zu verknüpfen und alles miteinander zu kombinieren« (Bernhard Martin).

 

Bernhard Martin ist ein Chronist des alltäglichen Lebens. Ein wohlüberlegter, nie spontaner Rekurs auf zuweilen infantilste Gegenstände ist hierbei typisch. »Der Gedanke der Beliebigkeit, ohne beliebig zu sein«, nennt er selbst sein Programm. »Ich male so, wie andere reden«, bringt Martin es auf den Punkt. »Mich interessieren Welten, Inseln, Wunderkammern, Biotope, Kontraste die aufeinanderknallen, also das tägliche Leben«, beschreibt Martin die Intention seines Werkes, das ein faszinierendes Subsystem der realen Erscheinungen bildet. »Viele Bilder sind wie Strudel, die den Blick einsaugen«, bemerkte Daniel Völzke einmal im Zeit Magazin (19/2008).

 

Bernhard Martin wurde 1966 in Hannover geboren, studierte von 1983-89 an der Kunsthochschule Kassel und verbrachte danach einige Jahre in Frankfurt am Main und Barcelona. Derzeit lebt Martin in London und Berlin. Er gilt als einer der jüngsten Studenten, die jemals an einer deutschen Kunstakademie angenommen wurden. Martin ist durch die vielbeachtete Gruppenausstellung neuer deutscher Malerei im Frankfurter Kunstverein (2003) einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden und ist mittlerweile in wichtigen Sammlungen, unter anderem der des Museums für zeitgenössische Kunst in Genf, in der Rubell Family Collection in Florida, im Museum of Modern Art New York, in der Sammlung Sander Berlin, in der Sammlung Deutsche Bank Frankfurt, in der Wiener Sammlung Thyssen-Bornemisza Art Contemporary, der Sammlung des Museums der Moderne, Salzburg, vertreten. 2005 folgten umfangreiche Solopräsentationen in der Villa Arson in Nizza und im Arario Museum in Seoul. Anlässlich der Verleihung des Kunstpreises der Stadt Wolfsburg an Bernhard Martin widmete ihm die Städtische Galerie Wolfsburg im Herbst 2008 eine umfassende Einzelausstellung.