[COLOGNE] SEASONS CHANGE: Scott McFarland

9 November 2014 - 27 Februar 2015

[GERMAN]

 

Die Galerie CHOI&LAGER freut sich die Einzelausstellung "Seasons Change" des kanadischen Photokünstlers Scott McFarland vorzustellen.

Nach seinem Abschluss an der "University of British Columbia" im Jahre 1997 erforscht Scott McFarland den Rahmen und die Grenzen der Repräsentation und Dokumentation Photographie, indem er sich mit seiner Umwelt akribisch auseinandersetzt.

In einem langwierigen und arbeitsintensiven Prozess schafft er hyperreale Bilder, für die er sich über einen langen Zeitraum mit einer Szene auseinandersetzt. Die hier entstehenden Negativen werden digitalisiert und mit Bedacht in einem neuen fiktiven Kontext zusammengesetzt.

 

Das fertige Bild steht für eine Verknüpfung von zwei für die Photographie wichtige Ideen: Die klassische Wiedergabe von Ereignissen, die Dokumentation und der vom Erzähler ausgehende Interpretation, der Fiktion. Sie zeigen die Wandelbarkeit von Momenten und unterstreichen die Wichtigkeit der Erzählposition für die Wiedergabe, frei nach dem Motto "Realität ist eine Illusion".

Diese Methode ist durchaus bekannt, so war sie Kernstück der so genannten Vancouver Schule für Konzeptuelle Photographie der 90er und frühen 2000er Jahre, die für diese Vermischung von Dokumentation und Fiktion steht. In der Tat lässt sich eine Verbindung zwischen McFarland und Jeff Wall (unter dem McFarland lernte) herausstellen, sei es das methodische Vorgehen oder ihre Neigung sich durch kunsthistorische Referenzen inspirieren zu lassen. Doch auch Einflüsse von Georg Crewdson und Hannah Starkey lassen sich vor allem in der Wiedergabe von Licht und dem Hang zum doppeldeutigen Kontext wiedererkennen.

Herausstellen tut sich McFarland aber vor allem durch die Erweiterung des räumlichen und zeitlichen Rahmens seiner Erzählungen, durch das Einsetzen zeitverschobener und somit eigenständiger Bilder. Während die oben genannten Künstler oft Statisten engagieren, um ihr Konzept zu visualisieren, verlässt sich McFarland mehr oder weniger auf den Zufall. Sorgsam beobachtet er die Charaktere auf seinem Bildmaterial, macht sich mit ihrer Gestik sowie ihrer Funktion als Akteur im Bild vertraut und kreiert dadurch neue Beziehungen, die auch ohne geprobten Ablauf schlüssig sind und auf den erste Blick auch nichts mit Fiktion zu tun haben.

Selbst den Naturraum legt er nicht fest, sondern passt ihn seiner Vorstellung an, so kommt es zu sich wiedersprechenden Schattenverläufen, der Präsenz mehrerer Jahreszeiten oder der Vermischung von räumlich getrennten Szenen. Mit seinen Bildern gelingt es McFarland den kleinen Rahmen der Photographie mit dem größeren Rahmen der Filmkunst gleichzusetzen, indem er den Schauplatz als individuellen Erzähler herauskristallisiert und geht von der absichtlichen Folgeerzählung durch die Verwendung mehrerer Schauplätze weg, wie sie vermehrt von Altersgenossen verwendet wird.

 

Diese Ideen der Referentialität, des mehrdeutigen Kontexts sowie der räumlichen Umgestaltung von Realität spielen auch in der New Orleans Serie eine prekäre Rolle, welche den Kern der CHOI&LAGER Ausstellung bildet.

Die Erforschung von errichteten und arrangierten Lebensräumen wie privaten Gärten, öffentlichen Parkanlagen, rustikalen Hütten und populären Zoos spielte in den früheren Werken des Künstlers eine wichtige Rolle, diese verfällt in dieser Serie. Vielmehr liegt die Aufmerksamkeit auf der Umwandlung und Neuinterpretation markanter Merkmale New Orleans. Durch die kommerzielle Darstellung des französischen Viertels, der Gartenanlagen, der für New Orleans typischen "Street Cars" sowie der legendären Dampfschiffe soll dazu aufrufen, die bekannten Bilder neu zu erleben und ihre Realität neu aufzunehmen.

 

Staff Meal beispielsweise verbindet gleichermaßen die Hinterlassenschaft der Pop Kultur des Galatoires Restaurant (samt seinen Assoziationen zu Tennesse Williams und der Oberschicht, Mitte des 19. Jh.), sowie mehrere kunsthistorische Referenzen, die in der Komposition verschlüsselt sind.

Der Blick richtet sich bei diesem Bild in erster Linie, auf eine unauffällige junge Frau in Arbeitskleidung, die alleine an einem vierer Tisch zu Mittag isst. Sie befindet sich zwischen einem Moment des genüsslichen Speisens und des uninteressiertem im Essen stochern. Ihre Aufgabe als Akteurin ist undefinierbar, sie kann eine engagierte Angestellte sein, die gerade ihre wohlverdiente Pause auskostet oder aber einfach nur darauf wartet, dass die Zeit an ihr

vorbeizieht. Die reine Banalität der Darstellung enthüllt fast von Selbst die Fülle an visuellen Details, die mit ins Bild

einfließen. Wie passt z.B. der fade Teller mit frittiertem Hühnchen, in Begleitung von Wasser zu dem Hommage der Pop Kultur des Galatoies als Szenelokal für edle französische Küche par exellence? Legt man den Fokus nun auf den sich hinter ihr befindenden Spiegel, indem man die unzähligen Propeller Lampen, die Hektik der Stammgäste und die vier gut gelaunten Kellner, die am gegenüber liegenden Tisch ebenfalls speisen sehen, so spielen sich mehrere komplett neue Szenen ab, die wiederum neue Fragen offen legen. Das Spiel mit dem Spiegelelement, das den Bild- und Erzählrahmen nochmals erweitert, trägt dazu bei, dass sich die Akteure unabhängig von Geschlecht oder sozialem Status im Bildraum begegnet, ohne eine gemeinsame Erzählposition zu haben, wie man es auch bei Velázquezs LasMeninasvorfindet.

 

Maurice Merleau Ponty´s Idee vom “Spiegel als Instrument für universelle Magie, der Dinge in Spektakel, Spektakel in Dinge, Mich in Andere und Andere in Mich” verwandelt, kann auf alle Werke in Seanons Change angewandt werden. Durchgehend, sei die Rede von NewOrleans, ConcreteCottageoder nicht serieller Werke, versucht der Künstler die Kunstfertigkeit von Photographie in seiner Praxis und dem Objekt hervorzuheben und beeindruckt durch die verblüffenden und durchdachten Details, einem überwältigem Panorama sowie interessanten Spektakel, entstehend durch zeitliche und räumliche Zerrissenheit.

Dies sind Bilder, die nur durch die ‘richtige’ Zusammenschließung mit anderen Bildern, Texten und Geschichten, die unsere Vorstellung von Realität definieren, existieren. Scott McFarlands Fähigkeit für diesen Rahmen eine allgemein gültige Balance zu finden, zeichnet ihn als einen der bedeuteten praktizierenden Photographie Künstler unserer Zeit aus.

 

Scott McFarland wurde 1975 in Kanada geboren, wo er heute noch lebt und arbeitet. Seinen Abschluss erhielt er 1997 von der "University of British Columbia" wo er unter Jeff Wall lernte. McFarland hatte die Chance schnell seine Werke in Galerien ausstellen zu dürfen und erhielt steigende Präsenz und Wichtigkeit für die Kunst- und vor allem Photographieszene. Allerdings stellt er vorwiegend in Kanada, den USA und Großbritannien aus. "Seasons Change" ist

die zweite Einzelausstellung des Künstlers in Deutschland.

 

[ENGLISH]

 

CHOI&LAGER Gallery is pleased to present Seasons Change, an exhibition of recent

photographic works by Canadian artist Scott Mcfarland.

 

Since the late 1990’s, the artist has been making large-format images that explore the parameters and limits of photographic representation through extended visual studies of particular environments.

 

McFarland’s crystalline, hyperreal images derive from a laborious technical methodology, in which he exposes multiple large-format negatives at a given scene, digitizes them and painstakingly reassembles the images into a seamless, cohesive composite.

 

The resulting image is one that leverages Realist aesthetics in service of imbuing the work with the long-held notion of photography’s indexical ‘truth’, while simultaneously disavowing it by doing away with the singular ‘decisive moment’.

 

Such a practice is, of course, familiar territory followjng the emergence so-called Vancouver School of conceptual photographers throughout the 90’s and early 2000’s, for whom the careful blending of photography’s (supposedly) documentary nature with cinematic staging was a stock-in-trade. Indeed, there is a clear alignment between McFarland and the work of Jeff Wall (under whom the artist studied) in both methodological terms and in their extensive use of art-historical referentiality in subject matter, while one also senses the influential presences of Gregory Crewdson and Hannah Starkey in the artist’s rendering of light and penchant for ambiguous narratives.

 

Where McFarland sets himself apart from these masters of the Tableux-Photograph form, however, is in his adept integration of multiple temporalities into the pictorial plane. Unlike the aforementioned, the artist rarely stages his human subjects; instead he creates spatial and gestural relations between them through extended observation of people’s comings- and-goings within the scene, serial exposures and a mastery of post-processing that creates unresolvable narratives perhaps best characterized as “non/fiction”.

Neither is the landscape itself pinned to one spot on the space-time continuum; be it through recognizably multi-directional shadows, the jarring proximity of different seasonal foliage or subtle amalgamations of spatially-discrete scenes, McFarland’s images successfully integrate the stasis of the photographic with the durational aspect of the filmic. In this way, the artist frames the locale as a distinct narrative agent unto itself, in a shift away from the deliberate aesthetic of banal placelessness cultivated by many of his contemporaries.

 

These ideas of referentiality, ambiguous narratives, locale-specificity and spatial reconfiguration are all very much at play in McFarland’s New Orleans Pictures series, which forms the core of CHOI&LAGER’s exhibition.

 

Having previously produced bodies of work that explored the highly constructed and codified environments of private gardens, public parks, rustic cabins and popular zoos, for this series the artist turned his attention to reworking popular representations of that distinctive city. Commercial depictions of its’ French Quarter, Garden District, street cars and Mississippi steam boats are reconsidered in order to present a more “Realist” interpretation of these familiar scenes.

 

StaffMeal, (2014) in particular, draws equally on the pop-culture legacy of Galatoires Restaurant (with all it’s associations with Tennesee Williams and Mid-19th Century gentility)

and the multiple art-historical references encoded in its composition.

The eye is immediately drawn to the unremarkable-looking female staff member sitting alone at a table for four, captured at a moment that hovers ambiguously between active eating and uninterested picking, her posture and expression undefinable as either engaged in her task or absentmindedly passing time. A small signifier of almost-comically banal realism reveals itself amongst the wealth of visual detail ; where does her bland-looking plate of fried chicken and accompaniment of water fit in with the pop-culture image of Galatoires as the hub of fine French-Creole cuisine parexcellence?

From here, the focus shifts to the mirror behind her, in which one registers the restaurant’s lighting fixtures, the bustle of patrons and the apparent bonhomie between the four male staff members depicted as enjoying a meal together at the table opposite.

With its play on constrained pictorial space extended by mirrors and the interrelations of its subject mediated by gender, class and economics, this image clearly tips its’ hat to Velázquez’s Las Meninas, and stakes its place in a nexus of artworks that subsequently referenced that piece (Manet’s Un bar aux Folies Bergère and Jeff Wall’s Picture For Womenchief among them), with a dash of Edward Hopper for good measure.

 

Maurice Merleau Ponty’s idea of the mirror as theinstrumentofauniversalmagicthatchangesthingsintospectacles,spectaclesintothings,meintoothers,andothersintomeis an apt one to keep in mind for all the works presented at SeasonsChange. Throughout NewOrleansPictures, ConcreteCottage and other non-series works, the artist treats photography as much the same sort of instrument, foregrounding the artifice of the photographic process and object through use of sparkling-rendered detail, overwhelming panoramic format and spectacles resulting from virtuosic temporal and spatial disruption.

 

These are images born from the interplay of other images, texts and histories that we construct and are constructed by; Scott Mcfarland’s ability to hold them all in a productive

balance marks him as one of the most important photographic artists working today.